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Dreharbeiten, Filmen im Niger

Im Jahr 2019 hört sich „Dreharbeiten in der Region Mali–Niger“ nicht gerade einladend an. Ein Gang zur Botschaft in Berlin belehrt einem aber schnell eines Besseren.

Die Menschen in der Botschaft sind – nicht nur für Berliner Verhältnisse, sondern auch darüber hinaus – sehr sehr freundlich und zuvorkommend. Man findet die Botschaft in Berlin Steglitz-Zehlendorf in einer alten Villa, die – wie es sich für die Botschaft eines nicht gerade reichen afrikansichen Landes gehört – schon etwas gelebten Charme verbreitet.

Botschaft der Republik Niger in Berlin
Machnower Str. 24
14165 Berlin
Telefon: +49 30 805 89 660
contact@ambassadeniger.de
Öffnungszeiten:
Mo – Do 09:00 bis 16:00
Fr 09:00 bis 14:00

Botschaft des Niger in Berlin

Man klingelt am Tor und geht die Treppe nach oben. Gleich im ersten Raum findet man zwei Damen, die die komplette Visa- und Genehmigungsverwaltung abwickeln. Der Andrang ist nicht sehr groß und man sitzt, angenehm plaudernt, zwischen den Schreibtischen, die von etlichen Papieren umgeben sind. Keine Sicherheitsschranken, keine Wartenummern, keine Schalter mit Panzerglas, man redet von Mensch zu Mensch.
Die Abteilungsleiterin spricht fließend Französisch, Englisch und auch perfekt Deutsch. Sie weiß wie der Laden läuft und kennt sich sehr gut in allen Abläufen aus. Solange man etwas in Deutschland direkt in der Botschaft erledigen kann, geschieht alles auf Zufruf. Ist der Botschafter im Haus, wird er gefragt, fällt eine Entscheidung und man bekommt das entsprechende Papier oder die Genehmigung sofort oder am nächsten Tag, je nachdem wie groß der Stappel mit Ausweisen – der jeden Moment vom Schreibtisch zu kippen droht – gerade ist.
Hat man ganz allgemeine Fragen, z. B. bezüglich Sicherheit und Dreharbeiten an sich, wird man einen Stock höher geleitet, wo man erst einmal einen Kaffe und dann von den jeweiligen Vertretern des Botschafters Auskunft bekommt. Bei uns war es Frau Issoufou, mit der wir eine ausgiebige Unterhaltung über die politische Situation, Sicherheitsbedenken und die allgemeine Genehmigungssituation hatten. (Ob Frau Issoufou nur den Namen mit dem Staatspräsidenten teilt oder verwandt ist haben wir leider nicht herausbekommen.)

Botschaft Niger in Berlin

Für eine normale Reise braucht man:

  • 2 x Demande de Visa / Visumsantrag
  • 2 x Passphotos
  • den Nachweis, dass man 61 Euro bei einer einmaligen und 102 Euro bei einer mehrmaligen Einreise auf das Konto bei der Berliner Commerzbank überwiesen hat.
  • Reisepass

http://ambassadeniger.de/wp-content/uploads/2017/03/Info_FORMULAIRE-DE-DEMANDE-DE-VISA.pdf

http://ambassadeniger.de/wp-content/uploads/2017/02/Infos-Visumantrag.pdf

Der Antrag wird in der Regel in wenigen Tage bearbeitet, die Botschaft gibt offiziel 1-2 Wochen an. Nicht-Berliner, die nicht selbst abholen, müssen frankierte Rückumschläge beilegen.

Bei Dreharbeiten ist es, wie immer, etwas umfangreicher und braucht auch viel mehr Zeit, da Ämter in Niamey involviert sind.

Unterlagen für die Visa und Drehgenehmigungen bei der Botschaft

  • Einladung und Beschreibung des Projektes von einem Partner vor Ort (sofern vorhanden). -> An das Ministerium für Kommunikation richten. (französisch)
  • Beschreibung des Projektes von Seiten der Filmproduktion und/oder des Auftraggebers. -> An das Ministerium für Kommunikation richten. (französisch)
  • Hotel, Zeitplan und GANZ WICHTIG geplante Drehorte sollten genannt werden.
  • In Niamey (z. B. zu einer Tagung) ist alles kein Problem, will man in die Boko Haram Rebellengebiete, in Richtung Mali oder nach Agadez sollte man das angeben und vielleicht schon eine Idee haben, wer einem den Armee-Begleitschutz vor Ort organisiert.
  • Da der Niger dem ATA-Carnet Abkommen nicht beigetreten ist, braucht man für den Zoll und für die Dreharbeiten vor Ort, eine genaue Ausrüstungsliste, die von der Botschaft signiert oder mit Botschaftsbegleitbrief versehen ist!!!

Es ist wichtig, dass die Schreiben, auf französisch, an das MINISTERE DE LA COMMUNICATION gerichtet werden und nicht etwa an das Ministerium für „Telekommunikation“. Da hatten wir falsche Angaben bekommen und nie mehr etwas vom Ministerium gehört. Unser Mann vor Ort und „die gute Seele der Botschaft“ haben dann alles gerichtet und wir konnten im letzten Moment die Pässe bekommen. Mittags abholen, Abends fliegen.

EINREISE

Wir sind in zwei Gruppen, Regie mit Kameraausrüstung 1 voraus und Team mit Kameraausrüstung 2 etwas später, eingereist.
Bei der Einreise in Niamey wurde alles Gepäck gescannt und ich musste mit meinen Alu-Kisten in das Zollbüro. Hier war es sehr wichtig, dass ich das Schreiben der Botschaft, zusammen mit einer kompletten Equipment-Liste dabei hatte. Ein Zollbeamter machte Handyfotos der Dokumente, da ich keine Kopie dabei hatte.
Für das Team mit Kameraausrüstung zwei war es etwas anders. Da zum Zeitpunkt unseres Aufenthaltes eine große Afrika-Konferenz mit Politikern aus ganz Afrika und 2.000 Teilnehmern stattfand, waren sehr viele Journalisten angereist, so dass es bei der Einreise unseres Teams, ein paar Tage später, keine Aufforderung mehr gab ins Zollbüro zu gehen. Dies hätte bei der Ausreise zu einem Problem werden können, wenn sich nicht der Zollbeamte, der bei meiner Einreise das Foto vom Schreiben der Botschaft gemacht hatte, an mich erinnert hätte!

DREHARBEITEN

Da im Konferenzzentrum, das direkt neben unserem Hotel Gaweye lag, die „Africa’s 3rd Continental Summit on Peace and Security“ stattfand, war das ganze Gebiet und die Brücke über den Niger-Fluss weiträumig durch das Militär abgesperrt. Selbst direkt auf dem Hotelgelände wollten die Militärs von uns ein offizielles Papier sehen. Hier hätte ein Schreiben des Ministry of Communication (Drehgenehmigung) geholfen, die wir aber, aufgrund der Verwechslung mit den Ämtern, nicht hatten.

Dreharbeiten in Simiri – Region Ouallam

Das Gebiet nördlich von Ouallam ist Rebellengebiet, das hautpsächlich von Rebellen aus Mali, die schnell über die Grenze kommen und wieder verschwinden, bedroht wird. Wir haben uns deshalb beim deutschen Botschafter in Niamey gemeldet und mit ihm unseren Drehplan abgesprochen. Zuzüglich hatten wir eine Telefonbesprechung mit dem Sicherheitsbeauftragten der GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH), die vor Ort agiert und deshalb entsprechende Erfahrung hat.

Der Botschafter hat die Situation in etwa so erklärt:

Für arbeitslose junge Männer, die keine Aussicht auf gar nichts haben und deren Dorf ebenfalls leidet, ist es sehr verlockend, schnell mal über die Grenze zu kommen und einen Weißen zu kidnappen, der dann – so die Erwartung – einen dreistelligen Millionenbetrag als Auslösesumme einbringt. Das ganze Dorf ist für lange Zeit gerettet und die Not überwunden. Und es gibt immer Jemanden, der Jemanden kennt und dann anruft und mitteilt, dass irgendwo ungeschützt ein paar Weiße unterwegs sind.

Militärischer Begleitschutz

Wir hatten aufgrund der geschilderten Situation Militärbegleitung, 8 Soldaten mit Maschinengewehren und einem großen Geschütz vorne weg und 8 Soldaten, ebenfalls mit einem großen Geschütz, hinterher. Die Soldaten stellten sich als extrem freundlich und hilfsbereit heraus.
Sie müssen ihre Uniformen selbst kaufen und die Kalaschnikow ist kurz vor dem Zerfallen. Muniton haben sie in der Regel auch nicht ausreichend. Pro Mann vielleicht ein Magazin. Alle haben gegen Boko Haram gekämpft und glauben an gar nichts mehr, nur noch an die Magie, dass sie überhaupt noch am Leben sind. Allah hat keine Bedeutung mehr, man betet, da es ja nicht schaden kann, aber im Grunde ist es einfach nur Magie, dass überhaupt Irgendeiner das alles überlebt hat. Da diese Leute die Vorhut sind für die Bundeswehr und die Franzosen, die dort ebenfalls agieren, fängt man an anders über Waffenexporte nachzudenken. Diese Männer stehen in der ersten Reihe und haben ein Schrottgewehr und kaum Munition, während die Bundeswehr und die Franzosen, dort wo es zumeist friedlich zugeht, mit modernster Ausrüstung die Lage sichern.

Dreharbeiten in einer kleinen Gemeinde südlich von Niamey am Niger Fluss

Hier sind wir mit unserem eigenen Auto – entgegen aller Sicherheitsempfehlungen aus Deutschland, aber mit Beratung vor Ort – mit einem Dozenten der Uni Niamey, aber ohne Militär hingefahren, was kein Problem war. Auch hier trafen wir nur ausgesprochen freundliche Menschen!

Der Islam wird sehr entspannt gelebt, wenn man nicht gerade offiziell unterwegs ist. Die Frau hat zwar ein Tuch auf dem Kopf, das hält sie aber nicht davon ab ihre Brüste zu entblößen und das Kind zu stillen. Die Mädchen spielen mit Kopftuch und Addidas-Hose Fußball, kümmern sich aber nicht darum, welche Körperteile im Laufe des Spiels gerade herausschauen und welche nicht, schließlich wollen sie im gemischten Jungen-Mädchen-Team ja das Spiel gewinnen. Das Kopftuch ist auch einfach gut gegen die sengende Sonne. Ein Scherz über den Islam ist durchaus erlaubt, man bekommt aber den Hinweis, man solle, falls man jemals in den Tschad fahren würde, solche Scherze lieber unterlassen.

fußball schule niger Simiri

AUSREISE

Sobald man den Flughafen betritt, vergisst man, dass man in Afrika ist. Der Flughafen ist hyper modern, von der Türkei gebaut und wird von der Türkei auch betrieben.

Es gibt insgesamt 4 Gepäckkontrollen:

  • am Eingang wird alles Gepäck gescannt
  • vor dem Einchecken wird das ganze Gepäck händisch durchsucht
  • nach der Passkontrolle wird das Handgepäck gescannt
  • vor dem Einsteigen ins Flugzeug wird das Handgepäck händisch durchsucht

23 kg sind pro Gepäckstück erlaubt, also nicht 23,1kg oder 23,2 kg wirklich nur exakt 23,00 kg! Wir mussten solange Dinge herausnehmen, bis die Waage 22,9 kg zeigte!

ZOLL AUSREISE

Als wir direkt am Gate ins Flugzeug steigen wollten, wurden wir nochmals herausgeholt. Wir mussten in den Keller gehen, direkt zur Verladestelle, wo ein großer Scanner das Gepäck druchleuchtet. Hier standen unsere Alu-Kisten. Sie wurden zurückgehalten und nicht verladen. Dem dort arbeitenden Leiter zeigten wir unsere Materialliste und das Schreiben der Botschaft. Danach ging er mit uns quer durch den Flughafen, über mehrere Etagen und Untergeschoßgeänge, zum Zollbüro in der Ankunftshalle, wo man wissen wollte, ob wir unser Filmgepäck bei der Einreise angemeldet hätten. Glücklicherweise war einer der dort arbeitenden Mitarbeiter derselbe, der auch bei meiner Einreise anwesend war, und er erinnerte sich an mich. Dadurch konnten wir dann – nach weiteren Handgepäckscanns – da wir wieder durch das ganze Einchecken mussten – endlich abfliegen.

Normalerweise interessiert sich der Zoll für Dinge die ins Land kommen und verzollt werden müssen. Warum man sich hier bei der Ausreise Sorgen machte, dass wir vielleicht die teure Filmausrüstung in Niamey gekauft haben könnten, ist mir nicht ganz klar. Und selbst wenn, wäre darauf ja keine Zollgebühr fällig geworden.

Immer bereit für eine gute Aufnahme! Klimaanlagen machen krank, Ein offenes Fenster und ein Moskitonetz sind eine Wohltat.

Autor: Thomas Hezel

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